15.03.03 - 15.04.03
Nach unserem wunderbaren und entspannenden Aufenthalt in Sihanoukville geht es mit dem Luxusbus nach Pnom Penh und am naechsten Tag um 6:30 Uhr von Pnom Penh aus Richtung Grenze. Die Fahrt ist wieder eine typische fuer Kambodscha, die Strassen nach Verlassen des Stadtgebietes sind loechrig, man holpert stundenlang vor sich hin und warm ist es auch frueh morgens schon wieder ziemlich. Die Felder sind verdorrt, teilweise abgefackelt, kilometerlange schwarze Flaechen. Nach ca. 5 Stunden Fahrt erreichen wir die Grenze, die wir zu Fuss ueberqueren. Die Grenzer haben gerade Mittagspause, manche spielen Karten. Ein Beamter hat sich ueberlegt die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Schlange der Wartenden ist mittlerweile viele Meter lang, wir schwitzen mit unserem Gepaeck auf dem Ruecken in der erbarmungslosen Mittagshitze vor uns hin. Die Ausreise verlaeuft ohne Schwierigkeiten, die Einreise hat ein paar Ueberraschungen parat. Den Einreisestempel haben wir schnell im Pass, danach weisst man uns zu einem zweiten Schalter. Derweil greifen ofiziell ausschauende Traeger im Blaumann das Gepaeck (ob es evt. durchleuchtet werden soll? Wir sollen es nicht tragen, wird uns angedeutet). Am Schalter stellt man uns ein wunderbares "Gesundheitszeugnis" fuer 30 Cent aus, nachdem wir auf einem Formular angekreuzt hatten, dass wir gesund seien (SARS war bis dato noch kein Thema hier in Asien). Spaeter erfahren wir von einem deutschen Reisenden, dass dieses Zeugnis keinen Menschen interessiert und in der gesamten Zeit wollte diesen Wisch kein Mensch sehen! Unser Gepaeck wird weiterhin von dem Traeger vor uns her gertagen, er will es uns nicht wieder geben und deutet auf ein Gebaeude in das er mit uns geht. Hier wird auf den Bus nach Saigon gewartet und der Traeger (kein offizieller Beamter, wie sich jetzt herausstellt) will fuer seine Muehe natuerlich Geld! Als man dann auch noch fuers Haendewaschen vietnamesische Dong von uns abknoepfen will, stellen wir fest, dass die Uhren hier ein wenig anders ticken. Welcome to Vietnam, Teil 1.
Wir werden nach einiger Wartezeit in einen neuen Minibus verfrachtet, das Gepaeck faehrt uns voraus (mulmiges Gefuehl stellt sich ein) und fahren auf einer wunderbaren Strasse in Richtung Saigon. Wir kommen an gruenen Reisfeldern vorbei, die Haeuser die wir passieren sind aus Stein gebaut und stehen nicht mehr auf Stelzen. Mit uns sind viele Mopeds, Busse und LKW unterwegs. Schon bald erreichen wir die Vororte Saigons, der Verkehr wird zunehmend dichter, vor allem Mopeds gibt es hier unzaehlige auf den Strassen. Wie alle anderen Touris auch, landen wir in der Bua Vien, einer Strasse im Zentrum Saigons (Ho Chi Minh Stadt) mit einer Menge Minihotels und Gaestehaeusern. Hier wird gelebt, es gibt eine Menge Garkuechen in denen zu jeder Tageszeit Einheimische und Touris (wir natuerlich auch) sitzen und leckere Dinge verzehren. Man sitzt auf kleinen Hoeckerchen (Kindergartenplastikstuehlchen) auf dem Buergersteig und schaut dem munteren Treiben zu, das sich bis spaet in die Nacht hinzieht. Morgens wird sogar Fitnesstraining mit selbst gebauten Geraeten betrieben. Mopeds fahren hier staendig durch, die Fahrer hupen ohne Unterlass. Am Sonntag, dem 16.03. starten wir zu einem Stadtrundgang, der uns auf eine besondere Mutprobe stellt: das Ueberqueren einer Strasse geraet hier fast zu einer besonderen Art von Russisch Roulett. Massen von Mopeds fahren nebeneinander her, scheinbar ohne das Beachten von Verkehrsregeln und hier muss man irgendwie durch. Es geht, aber die Nebenniere darf mal wieder kraeftig Adrenalin ausschuetten. Puhhhh. Die Fahrerinnen der Mopeds sind voellig vermummt. Sie haben den typischen Dreieckshut auf, an dem ein Tuch befestigt ist, das vor Mund und Nase gebunden wird. Die Augen sind mit einer Sonnenbrille bedeckt und die Arme werden mit langen Handschuhen (wie fuer die Oper) vor der Sonne geschuetzt. Dazu tragen viele die typische Kleidung hier im Sueden, den Ao Dai: das ist ein langes in der Taille geschlitztes Kleid aus Seide, das ueber einer langen (weissen) Hose aus Satin getragen wird. So kommt tatsaechlich kein Sonnenstrahl an die empfindliche Haut der Maedels. Wir besichtigen das koloniale Saigon mit Notre Dame, altem Postamt und einigen herrschaftlichen Hotels und Boulevards. Gegen Nachmittag erreichen wir das Museum fuer "Kriegsverbrechen". Draussen im Hof stehen alte Panzer, Hubschrauber, Kampfjets und Geschuetze vor denen sich ueberraschenderweise vornehmlich die asiatischen Besucher fotografieren lassen. Die Ausstellung zeigt Fotos von Kriegsverbrechen, die waehrend des (Vietnam)krieges begangen wurden. Schonungslos werden die Betrachter mit privaten Hinrichtungen, grausamem Abschlachten gefangener Soldaten konfrontiert. Immer wieder wird gezeigt, wie die am Krieg unbeteiligten Maenner, Frauen, Kinder und Alte unter den Soldaten (schwerpunktmaessig US Amerikaner) zu leiden hatten. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung behandelt die Folgen des Giftgaseinsatzes. Damals durch Agent Orange verseuchte Kinder gebaehren heute schwerkranke und missgebildete Kinder. Die Verantwortlichen fuer diese Greueltaten wurden kaum zur Rechenschaft gezogen, manche leugnen bis heute ihre Taten.
Unser Rueckweg fuehrt uns durch touristisch nicht sehr erschlossenes Gebiet der Stadt, wir kommen an einem Strassenrestaurant vorbei, es riecht verfuehrerisch. Wir lassen uns die Menuepreise auf englisch sagen, da auf der Karte keine Preis verzeichnet sind und bestellen. Das Warten aufs Essen wird durch Nuesse und Mixed Pickels verkuerzt, gegen die Hitze erhalten wir, wie hier ueblich eiskalte feuchte Tuecher. Das Essen schmeckt hervorragend und ein kuehles Bier zischt auch die Kehle herunter. Als die Rechnung kommt, schlucken wir noch ein paar mal, man will 215.000 Vietn. Dong von uns, das entspricht knapp 15,- US Dollar. Gestern hatten wir fuer ein aehnliches Mahl 5 Dollar bezahlt. Auf Nachfrage wie der Preis zustande kommt, wird uns nun die Auslaenderkarte mit Mondpreisen praesentiert. Wir handeln auf 150.000 VDong herunter und verlassen diesen Laden stinksauer. Welcome to Vietnam Teil 2. Wir lassen uns nach dieser Erfahrung die Preise immer aufschreiben, da unser Vertrauen fuer lange Zeit zerstoert ist. Schade fuer die rechtschaffenden Vietnamesen, denen wir begegnen.
Nach zwei Tagen Grossstadt zieht es uns aufs Land, wir unternehmen eine organisierte Zweitagestour ins Mekongdelta. Der Hoehepunkt dieser Tour ist die fruehmorgendliche Fahrt mit einem kleinen Boot durch den schwimmenden Markt von Cantho. Gegen die jetzt schon (8:00 Uhr) heisse Sonne ziehen wir die landestypischen Huete auf. Anders als in unserer Vorstellung sind die Boote mit ihren Waren (Gemuese und Obst) eigentlich staendig in Bewegung. Wer wohin faehrt um etwas zu kaufen, bleibt uns eigentlich verborgen. Es ist ein unablaessiges Hin und Her und Durcheinander. Die Boote rempeln sich auch gegenseitig an - schoen die Finger im Boot lassen. Nachdem der Markt an uns voruebergezogen ist, fahren wir weiter in kleinen Kanaelen. Am Ufer stehen Huetten, manche Einheimische laecheln und winken uns zu, Kinder schwimmen im Wasser, Frauen waschen Waesche oder spuelen Geschirr. Die Stimmung ist idyllisch, die Wipfel der Baeume, die Palmblaetter bilden ein gelbgruenes sonnendurchflutetes Dach, unter dem wir mit dem Boot wie durch einen Gewoelbegang langsam hindurchgleiten. Auf der Busrueckfahrt macht sich langsam der gestern genossene Snakewein bemerkbar, der Kater kommt spaet aber er kommt (leider). Der Tourguide hatte am Vorabend einen Liter Snakewein besorgt, den wir (6 Teilnehmer und er) tapfer getrunken haben. Es handelt sich um Reiswein, der ueber ein Jahr lang eine gehaeutete tote Schlange beherbergte. Unangenehme Vorstellung, geschmacklich erinnert das Getraenk an einen Kraeuterschnaps.
Um der feuchten Hitze des Suedens zu entkommen, fahren wir am Donnerstag dem 20.03. in die Berge von Dalat. Hier geniessen wir (mit vielen vietnamesischen Honeymoonern) die Sommerfrische und radlen einen Tag in wirklich kuehler guter Pinienwaldluft durch die Stadt und Umgebung. Anschliessend geht es ans Meer nach Na Trang. Auf der Busfahrt kommen wir durch eine schoene Berglandschaft mit herrlichen Ausblicken aufs Tal und Reisterassen in zartem Gruen. Ochsengespanne und Pferdekarren kommen uns in kleinen Doerfern entgegen. In Na Trang geniessen wir wieder einmal Strandleben. Hierbei werden wir Zeugen eines handfesten Streites der Strandverkaeufer, von denen mindestens 10 pro Minute an den Liegestuhl kommen und ihre Waren anbieten. Der Grund des Streites bleibt uns verborgen, aber es wird ziemlich laut und dann sehen wir zwei Messer im Spiel. Doch die zwei Jungs machen Gott sei Dank nicht ernst und es fliesst kein Blut. Beaengstigende Szene. Unser naechstes Ziel heisst Hoi An, wir nehmen einen Nachtbus - nicht wirklich ein Vergnuegen. Die Strasse ist wieder einmal grottenschlecht, die Aircon funktioniert nicht so richtig, an Schlafen ist nicht zu denken. Ziemlich geraedert erreichen wir am Dienstag, dem 25.03. unser Ziel. Eine Dusche und ein Kaffee erfrischen uns und so ziehen wir los, um die Altstadt, die einem Freiluftmuseum gleicht, (Unesco Weltkulturerbe) zu erkunden. Die Haeuser wurden fast ausschliesslich in Souvenirshops, Restaurants, Gaestehaeuser oder Schneidereien (viele Touristen kommen wegen der guenstigen Massanfertigungen von Seidenkleidung her) umfunktioniert. Die wenigen Haeuser, in denen noch Menschen leben, koennen tagsueber besichtigt werden. Trotz der vielen Touristen, wirkt die Altstadt noch sehr authentisch, man fuehlt sich in eine vergangene Zeit versetzt. Nachmittags fahren wir mit dem Rad raus durch Reisfelder und geniessen Natur und Stille. Die Ruhe, wird lediglich von einigen Lautsprechern gestoert, die an Laternenmasten befestigt sind, und aus denen die Dorfbewohner scheinbar mit Nachrichten und Musik versorgt werden. (Big Brother?) Bei der Ueberquerung eines Reisfeldes treffen wir einen Bauern, der von der Arbeit kommt. Er moechte sich scheinbar
mit uns unterhalten, leider reichen unsere Vietnamesichkenntnisse nicht aus. Er zaubert eine Silbermuenze aus der Brusttasche und haelt mir (Andreas) diese unter die Nase. Will er mir jetzt die Muenze schenke, soll ich fuer irgend etwas bezahlen, keine Ahnung. Dann macht er die Geste etwas trinken zu wollen. Entweder will er uns dazu einladen, oder er demonstriert gerade, womit er sich so den lieben Tag beschaeftigt hat. Nach freundlichem Achselzucken und Schulterklopfen zieht dann jeder seines Weges.
Am Mittwoch, dem 26.03. probieren wir zum ersten Mal das Zugfahren aus. Bisher haben wir den Service des "Open-Bus-Tickets" genutzt. Dies wird von Reiseagenturen verkauft, es handelt sich um Busse in denen fast nur Touristen zu den bekanntesten Orten
des Landes gefahren werden. Die Benutzung der oeffentlichen Busse wird einem als Auslaender recht schwer gemacht. Man erfaehrt nur schwerlich wo man Ticktes kaufen kann, hat man diesen Ort dann endlich gefunden, erhaelt man Tickets zu weit ueberhoehten Preisen. Da wir aber auf jeden Fall oeffentliche Verkehrsmittel nutzen moechten, haben wir uns fuer die Bahn entschieden.
Auch hier zahlt man einen Auslaenderpreis, dieser ist aber bekannt und nicht der Stimmung des Schalterbeamten unterworfen. Mit dem Open Bus geht es zunaechst von Hoi An nach Danang, wo wir in den Zug nach Hue steigen. Die Strecke soll laut Reisefuehrer zu den schoensten Abschnitten auf der gesamten Saigon-Hanoi Linie gehoeren, das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Wir
besteigen ein sogenanntes Soft-Seat-Abteil.(Unterschiedliche Klassen, wie 1. und 2. Klasse gibt es im sozialistischen Vietnam natuerlich nicht, die Unterscheidung wird ueber die Qualitaet der Sitze getroffen.) "Some buds are harder than others!" Die Ausstattung des Zuges ist em ehesten mit einem alten Intercity in Deutschland vergleichbar. Der Zug quaelt sich zuerst einen
steilen Berg hinauf, es quiescht und rappelt. Oben werden die Passagiere mit einem grandiosen Ausblick ueber die Kueste mit Strandabschnitten und Steilklippen belohnt. Spaeter kommen wir an Reisfeldern vorbei, auf denen Bauern mit ihren Wasserbueffeln arbeiten, dies vermittelt eine friedliche Stimmung. In Hue werden wir vom ueblichen Hotel- und Gaestehausgeschwader ueberfallen. Hat man diese Klippe erfolgreich ueberwunden, kommen die Cyclo- und Mopedfahrer, die uns unbedingt fahren wollen. Wieder einmal sind wir stur und laufen, voellig unverstaendlich fuer die "freundlichen" Jungs. Das Abwehren der vielen Fahrer und Zimmervermittler bei der Ankunft am Bahnhof ist anstrengender als ein Marsch mit groessem Gepaeck durch die Mittagshitze der Stadt. Hue ist die alte Kaiserstadt, hier herrschte bis ins vergangene Jahrhundert die letzte Kaiserdynastie. Die Strassen sind breit und
mit Baeumen gesaeumt. Beherrscht wird das Stadtbild auf der noerdlichen Seite des Parfumflusses von der Zitadelle, dem ehemaligen Machtzentrum. Sie wird mit der verbotenen Stadt in Peking verglichen, Gebaeude in chinesischem Baustil mit massiven Holzsaeulen und geschwungenen Daechern umgeben von grossen Plaetzen mit Pflanzen. Durch Unwetter und Kriege sind die Gebaeude groesstenteils
zerstoert, doch auch hier wurde und wird durch die Erklaerung zum Unesco Weltkulturerbe einiges wieder aufgebaut. In Hoi An und Hue finden wir die vietnamesische Kueche wieder, die wir in Frankfurt kennen gelernt hatten. Lecker, vielseitig, frische Zutaten - einfach koestlich. Es gibt zum Beispiel Fruehlingsrollen zum selber basteln, dazu bekommt man Reispapier, Schrimps,
Rind-oder Schweinefleisch, frischen Salat und Gemuese und als Kroenung der Dip, eine Erdnusssauce mit Minze und Chilis. Mjami! Kein Wunder, dass uns die hiesigen Speisen bekannt vorkommen, eines der beiden vietnamesischen Restaurants in Frankfurt heisst "Hue". Aus kulinarischen Gesichtspunkten koennten wir hier noch ein paar Tage bleiben, aber nach einer kleinen Radtour in
die sehr laendliche Umgebung reisen wir mit dem Nachtzug weiter Richtung Norden - Hanoi ist unser naechstes Ziel.
Wir besteigen den Nachtzug mit vielen Einheimischen und wenigen anderen Touris. Man muss schon sehen, wo man bleibt, die Menschen gehen hier nicht gerade zimperlich miteienander um. Verglichen mit dem Strassenverkehr haben wir hier eine bessere Ausgangsposition:
Auslaender sind gross (besonders Christine) und stark. Wir steigen schnell in den Waggon und werfen die Rucksaecke in das Gepaecknetz ueber den Sitzen - wer zuerst kommt wirft zuerst! Nun richten wir uns fuer die Nacht ein, inspizieren die verstellbare Rueckenlehne und Tischchen zum Herunterklappen an der Rucklehne des Vordersitzes. Ploetzlich scheppert der erste Verpflegungstrolley
durch den Waggon. Jeder bekommt (fast wie im Flugzeug) eine warme Mahlzeit und eine kleine Flasche Wasser. Das Essen ist in Plastikbehaeltern verpackt, die in einer fettigen Kunstoffbox herumrutschen. Der Klapptisch hat Schieflage, so dass die Essensbox staendig abrutscht. Festhalten ist angesagt, und dabei immer schoen in die Fettbruehe langen! Mal sehen, was die Bahn sich als kulinarische Ueberraschung ausgedacht hat: Reis als Grundlage ist ok, dazu gruene Bohnen, die Wuerstchen sehen nicht so toll aus, und genausowenig die waessrige Kohlsuppe. Wir futtern tapfer Reis mit Bohnen, um eine Grundlage fuer die lange Nacht zu schaffen. Nachtruhe (oder so etwas aehnliches) kehrt erst ab 24:00 Uhr ein, diese waehrt jedoch nicht lange, ab drei Uhr morgens laufen Frauen laut rufend mit Suppen, Reis und Fruechten durch den Zug, um sich ein paar Dong dazu zu verdienen. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Gegen 5:30 Uhr sind die Vietnamesen wie gewohnt wieder putzmunter, das ganze Abteil quatscht
und lacht laut vor sich hin. Auf den Strassen fahren die Bauern zum Feld und schon bald sieht man erste Schulkinder auf dem Rad zur Schule fahren. Langsam geht die Sonne auf, ein schoener Sonnenaufgang - doch Fotos koennen wir leider keine davon schiessen, die Fenster sind vergittert! Ob die Angst haben, dass sich einer nach der zermuerbenden Fahrt, dem leckeren Essen und grandiosem Service bei "rasender" Geschwindigkeit verzweifelt aus dem Zug stuerzt? Oder sollen die Fahrgaeste daran gehindert werden, ihren Muell, wie sonst ueberall auch, einfach in die Landschaft zu werfen? Gegen 9:00 Uhr erreichen wir ziemlich planmaessig Hanoi, die deutsche Bahn koennte hier bezueglich Puenktlichkeit in die Lehre gehen. Das alte Viertel ist nicht so weit weg,
wir schnallen die Rucksaecke auf und marschieren los. Eigentlich hatten wir es etwas kuehler erwartet hier im Norden, hier herrscht ein extrem schwuel-feuchtes Klima, wieder mal durchgeschwitzt nach kurzer Zeit des Marschierens. Unser Hotel entschaedigt uns fuer all die Muehe - wir goennen uns eine toll erfrischende Dusche und ein Nickerchen. Das schoene Zimmer ist wie gemacht
fuer "Abgammeln" bei etwas schlechterem Wetter, hier lassen wir es uns einfach mal ein paar Tage gut gehen. Im alten Viertel kann man wunderbar auf der Strasse auf Kindergartenplastikstuehlchen sitzen, lecker essen, Leute beobachten, Verkaeufer abwimmeln und natuerlich Bia Hoi trinken. Hierbei handelt es sich um frisch gebrautes Bier, das taeglich von den Brauereien Hanois ausgeliefert wird. Es wird aus dubiosen Tanks oder Faessern gezapft und soll morgens am besten schmecken, dazu kostet es nahezu nichts (10 Cent pro Glas!). Beim Bia Hoi kommt man dann auch immer mal wieder in Kontakt mit einheimischen Maennern, die hier abends ihren Feierabendschoppen zu sich nehmen.
Am Samstag, dem 29.03. spazieren wir zuerst durch die engen Gassen des alten Stadtviertels, die noch wie frueher in Zuenfte eingeteilt sind. Es gibt Juweliere, Seiden- und Tuchhaendler, Zinnmacher, Schlosser, Steinmetze, chinesische Apotheken mit streng riechenden Krautern, Kleiderhaendler, Buddhastatuen und andere Devotionalien, Schnaps- und Tabakhaendler und viele mehr. Die Buergersteige sind entweder mit Mopeds zugestellt und/oder dienen als Werkstatt. Das taegliche Leben der Bevoelkerung findet draussen statt. Am See angelangt, machen wir Rast auf einer Bank und beobachten vorbeigehende Passanten. Der See ist wunderbar angelegt und ringsherum zieht sich eine Parkanlage mit Baeumen und Blumenbeeten, die Flaniermeile Hanois. Ueberhaupt ist Hanoi eine sehr gruene Stadt, auch in den engen Gassen stehen haeufig Baeume, sie wachsen teilweise aus den Haeusern heraus. Auf den Balkonen stehen oder haengen ueberall Gruenpflanzen und Blumen. Nur wenige Passanten tragen einen Mundschutz, um sich vor SARS zu schuetzen, die Krankheit war hier in einem Krankenhaus ausgebrochen, dieses wurde geschlossen und die Patienten (es handelte sich um Angehoerige des medizinischen Personals) intensivmedizinisch
behandelt. Die Behoerden scheinen die Lage im Griff zu haben, wir koennen uns voellig frei bewegen, einen Krankenhausbesuch werden wir natuerlich auf jeden Fall zu vermeiden suchen.
Nachmittags besuchen wir das Wasserpuppentheater. Am linken Rand der Buehne sitzt das Orchester, die Herren im tradiotionellen Ao Dai, die Damen in langen Kleidern. Es werden immer kurze Sequenzen von 3-5 Minuten gespielt, die von der Musik begleitet werden. Die Puppen haengen an langen Bambusstaeben die sich unterhalb der Wasseroberflaeche befinden. Die Puppenspieler stehen hinter einem Vorhang bis zur Huefte im Wasser und
manoevrieren ihre Puppen durch das Bassin. Es werden Szenen aus dem Dorf- und Landleben gespielt, aber auch Sagen ueber grosse Koenige und Drachen. Die Darstellung ist sehr abwechslungsreich und witzig mit netten Effekten und die hier gebotene Musik ist fuer unsere Ohren wesentlich angenehmer als manch andere traditionelle Musik in Indochina.
Nach mehreren Tagen des
zu Fuss und per Rad Erkundens der Stadt machen wir uns auf nach Sapa, einem Dorf in den Bergen nahe der laotischen und chinesischen Grenze. Hierzu fahren wir am Donnerstag dem 03.04. wieder Zug, diesmal Hard Seat im Tageszug. Wir bekommen im Gegensatz zu unserer Fahrt von Hue nach Hanoi in der Holzklasse schnell Kontakt zu den Mitreisenden. Unsere Landkarte mit einem Kinderfoto
und die Bilder in den Reisefuehrern finden immer grosses Interesse und sind meistens der Icebreaker. Oft zeigen wir den Interessierten die Strecke auf der Landkarte oder versuchen mit dem vietnamesisch-deutsch-Sprachfuehrer ein wenig zu kommunizieren. Ein Mann moechte gerne Bier mit mir (Andreas) trinken. Bei der ersten Einladung lehne ich ab, es ist gerade mal 11:00 Uhr morgens.
Als der Getraenkewagen das naechste Mal vorbeikommt greift er sich zwei (leider warme) Dosen Bier und wir stossen an. Christine bekommt leckeres Wasser! Er arbeitet in einer Molkereifabrik, hat gerade Urlaub und faehrt raus in die Berge. Von Deutschland weiss er, dass das Land sehr sehr reich sein muss. Tiefer steigen wir nicht in die Konversation ein, da er schon bald aussteigt.
Nach 10 harten Stunden erreichen wir Lao Cai, den Grenzort nach China. Von hier aus geht es mit einem Minibus weiter hoch in die Berge. Ueber tausend Hoehenmeter klettert der Bus auf Serpentinen durch die Berge. Wir haben herrliche Ausblicke auf die Taeler, Fluesse und Berghaenge mit Reisterassen. Sapa liegt auf einer Hoehe von ca. 1600 Metern und wir kommen gerade
noch rechtzeitig an, um einen herrlichen Sonnenuntergang ueber den Bergen zu sehen. Die Luft ist hier merklich kuehler und frischer - welche Wohltat. Hier findet taeglich Markt statt, aber am Wochenende kommen besonders viele Bewohner der Bergdoerfer - die sogenannten ethnischen Minderheiten hierher, um sich selbst mit Waren zu versorgen und um ihre selbst hergestellten Produkte zu verkaufen. Morgens fruehstuecken wir an den Essenstaenden in der Markthalle, mit uns am Tisch sitzt eine Familie der Hmong. Sie sind in dunkelblaue Hosen, Roecke und Jacken, sowie bunte Westen gekleidet. Die Frauen tragen grosse runde
Ohrringe aus Silber, das Haar ist hochgesteckt und wird durch ein dunkelblaues Tuch zusammengehalten. Zum Transport der Waren werden geflochtene Kiepen benutzt, die meisten jungen Frauen tragen ein kleines Kind auf dem Ruecken. Eine andere hier vertretene Volksgruppe, die Red Zao, sind ebenfalls dunkel gekleidet, sie tragen aber knallroten Kopfschmuck - die Haare sind an der Stirn und an den Schlaefen rasiert, ebenso die Augenbrauen, was ihre Gesichter noch groesser und die Haut glatter erscheinen laesst. Wenn sie laecheln, entbloessen sie sehr weisse und gerade stehende Zaehne, manchmal funkelt ein Goldzahn im Mund. Dieser ist eher ein Zeichen des Wohlstandes, als der schlechten Zahnpflege. Der Markt ist faszinierend, Unmengen an Menschen schieben sich durch die engen Staende. Es gibt wieder Obst und Gemuese in leuchtenden Farben, eine Etage hoeher wird Silberschmuck und Kleidung verkauft. In einem weiteren Raum werden die Kleidungsstuecke bestickt und genaeht, wobei die Frauen sich miteinander unterhalten, oder mit Touristen ueber die Preise verhandeln. Viele der Hmong wollen ihre Waren an die Touristen verkaufen. Hier kann man Muetzen, Jacken, Schmuck, Armbaendchen und vieles mehr erwerben. Sie sind sehr freundlich und bleiben auch bei Misserfolg weiterhin nett und scherzen mit uns. Eine wirklich angenehme Atmosphaere hier in der Stadt. Das Wetter hier in Sapa kann sich taeglich mehrmals aendern, wir erleben strahlenden Sonnenschein und total vom Nebel verhangene Berge. Man kann hier wunderbar wandern, was wir an zwei Tagen auch intensivst praktizieren. Am Montag, dem 07.04. zum Beispiel ziehen wir in ein weites Tal. Wir laufen an einem Hmong Dorf vorbei und sind eine gute Stunde auf einer asphaltierten Strasse bis zum naechsten Dorf unterwegs. Dies ist ein grosser Ort, hier leben ca. 1.000 Menschen. Wir passieren ein paar Kinder, die "Hello" rufen, manchmal sitzt eine Frau dabei und stickt oder spinnt Wolle. Die Huetten bestehen aus dicken Holzbrettern mit Daechern aus Holz, Lehmziegeln oder auch Wellblech. Neben den Huetten, die ziemlich gross sind, gibt es noch Unterstaende fuer das Vieh und das neue Lasttier, das Moped. Der Ort ist ziemlich sauber, hier sieht man kaum Plastiktueten oder anderen Zivilisationsmuell herumliegen, die organischen Muellreste werden von den Schweinen vertilgt, die hiesige Muellabfuhr. Wir kommen an Wasserstellen vorbei, wo Wasser geholt wird oder Doerfler sich waschen. Zwei Hunde wollen uns das Leben schwer machen und stellen sich uns laut bellend in den Weg, wir gehen tapfer an ihnen vorbei und verlassen das Dorf. Am Dorfausgang hat sich eine grosse Festgemeinde versammelt, irgendwas ist im Gange, eine rhythmische Melodie wird auf Trommeln geschlagen. Als wir entdeckt werden, winkt man uns heran. Doch wir trauen uns nicht, wollen die Dorfgemeinschaft nicht stoeren, winken zurueck und wandern weiter. Drei Knirpse tragen auch schon ihren Teil zur Feldarbeit bei, sie treiben zwei Wasserbueffelkollosse mit duennen Ruten ueber den Pfad zum Feld, Respekt! Wir kommen an Reisterrassen vorbei, in manchen Wasserloechern suhlen sich Wasserbueffel, die uns verbluefft anschauen. Immer wieder treffen wir Menschen bei der Feldarbeit, einige sind mit der Gemueseernte beschaeftigt, andere scheinen etwas zu sammeln, Pilze(?). Auf dem Rueckweg treffen wir ein frz. Paerchen, mit denen wir gemeinsam bis Sapa zurueckwandern und uns ueber unsere Reiseerfahrungen austauschen. Die Abende in Sapa verbringen wir haeufig mit einem supernetten schweizer Paerchen, das ebenfalls lange auf Reisen ist. Hier in Sapa fuehlen wir uns rundum wohl, es gibt atemberaubende Natur, sehr nette Bekanntschaften, freundliche Bergbewohner und viel Zeit fuer Muessiggang, was will man mehr.
Am Donnerstag, dem 10.04. treten wir unsere Rueckreise nach Hanoi im "Soft Sleeper" Abteil an. Diese Nachtfahrt ist weitaus angenehmer als unsere letzte, wir koennen sogar einigermassen schlafen. Nach einigen administrativen Arbeiten (ja, ja, auch die Traveller muessen mal schuften, schwitz) fahren wir am Samstag, dem 12.04. mit einer organisierten Tour zur Halong-Bucht. Gegen Mittag erreichen wir die Bucht und steigen auf das Dach eines grosses Ausflugsbootes aus Holz, einer alten Dschunke aehnelnd, unter Motor laufend, leider nicht unter Segel (...die Segler unter Euch wissen unser Bedauern zu teilen). Die Landschaft ist einzigartig, wir fahren durch Kalksandsteinfelsen, die zu hunderten aus dem Meer ragen, hindurch. Am Horizont kann man im Dunst ganze "Gebirgszuege" dieser kuppelfoermigen Felsformationen erkennen. Bald kommen wir in entlegenen Buchten ganz nah an die Felsen heran. Einige Fischerboote sind unterwegs, sie bilden vor den Felsen ein perfektes Motiv fuer Fotos. Wir geniessen die Ruhe, die friedliche Natur und beobachten Voegel, die in den Felsspalten nisten oder sich von der Thermik treiben lassen.
Wieder zurueck in Hanoi ist Kultur angesagt. Ein Hoehepunkt ist der Besuch im Ho-Chi-Minh-Mausoleum. Vor dem Gebaeude stehen die Menschen (viele Vietnamesen und nur vereinzelt Touristen) bereits Schlange. Man naehert sich dem Mausoleum von hinten, gibt seine Tasche ab, laeuft in Zweierreihen zu einer Halle, in der man auf Baenken Platz nimmt und wartet bis genuegend Besucher versammelt sind. Irgendwann faellt der Startschuss, die Schlange tippelt unter einem Sonnendach am Strassenrand in Richtung Haupteingang, vor dem die Kameras an einem Checkpoint abgegeben werden muessen. Am Eingang passieren wir die Posten, die mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett Wache schieben und schlurfen, immer noch in Zweierreihen, die Treppen zum Mausoleum empor. Es gibt strenge Regularien, man darf nicht sprechen, nicht lachen, die Haende nicht in die Hosentaschen stecken, nicht stehenbleiben usw. In einem Rechteck fuehrt uns der Weg einmal an Onkel Ho vorbei, der aufgebahrt in einem Bett liegt, bewacht von Soldaten in weissen Uniformen. Das Einbalsamieren hat so gut funktioniert, dass man meint, Ho-Chi-Minh wuerde gleich aus suessem Schlaf erwachen und zu uns sprechen. Seine Haut ist noch voellig straff und glatt, seine markanten Barthaare sehen immer noch aus wie auf diversen Fotos. Das ganze Schauspiel ist grossartig, vor allem die Atmosphaere. Nach dieser beeindruckenden Veranstaltung wollen wir mehr ueber Onkel Ho wissen und besuchen das Ho-Chi-Minh-Museum gegenueber. Hierzu gibt es nicht viel zu sagen, es handelt sich schlicht und (wenig) ergreifend um eine Propagandaveranstaltung.
Am selben Tag fliegen wir von Hanoi nach Bangkok, unserem Zwischenstopp auf der Weiterreise nach Kathmandu/Nepal. Da wir es geschafft haben, uns nicht zu erkaelten, koennen wir die Nein-Spalte im SARS-Fragebogen nach Symptomen wie Husten, Schnupfen, Fieber, Kopfschmerzen und Atemproblemen ankreuzen. Im Flugzeug erhalten wir eine Atemschutzmaske und bei Ankunft in Bangkok empfaengt uns ein ganzes Heer weissgekleideter, mit Mundschutz und Handschuhen bestueckter Gesundheitsbeamter. Auf der Stirn wird mit einem speziellen Tape Fieber gemessen, scheinbar sind wir sauber, wir duerfen einreisen. Gerade noch rechtzeitig kommen wir im Airporthotel (bereits in Deutschland gebucht) an, um in Andreas Geburtstag hineinzufeiern. Bei Rotwein und Nuesschen (aus Vietnam importiert) machen wir es uns ueber den Daechern Bangkoks im 17. Stock gemuetlich.